Die Erschließung von Liszts Oeuvre stellt bereits Generationen von Forscherinnen und Forschern vor große Herausforderungen. Erst der umfassende Abgleich aller Quellen zu einem Werk oder einem Werkkomplex sowie die Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs erlaubt es, eine feingliedrige, in sich schlüssige Klassifizierung vorzunehmen. Daher wurde für die Erstellung des LisztQWVs das Prinzip von der Quelle zum Werk
zur Prämisse gemacht: Im Zentrum der ersten Projektphase (2022–2025) steht aus diesem Grund die möglichst umfassende Erschließung und Beschreibung der Quellen zu Liszts musikalischen Werken. Der umfangreiche Materialbestand erstreckt sich über nahezu achtzig derzeit bekannte Quellenstandorte weltweit. Über zwei Drittel der Quellen – mehr als 18.300 Blatt – werden im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar aufbewahrt. Weitere Schwerpunkte bilden die Sammlungen u. a. in Budapest, New York, Paris, Washington und Wien. Da die Arbeit mit Digitalisaten bei der Erschließungsarbeit zwar unerlässlich ist, für eine gewissenhafte Arbeit aber dennoch auch die Einsicht in die Originale vonnöten ist, werden die verschiedenen Quellenstandorte besucht. Für die Autopsie der Weimarer Bestände ist die Projektmitarbeiterin vor Ort zuständig.
Detailliert strukturiert und für die digitale Vernetzung vorbereitet
Entsprechend den Vorgaben historisch-kritischer Werkverzeichnisse differenziert sich die Sichtung und Vorerfassung nach den jeweiligen Quellentypen in Autographe, Abschriften und Drucke, wobei letztere zusätzlich zwischen Drucken mit autographen Eintragungen (v. a. Korrekturabzüge), Erstdrucken und weiteren Ausgaben unterschieden werden. Nach dem Prinzip der verteilten Datenhaltung wird RISM für die primäre Erschließung genutzt; dort nicht ideal abzulegende Daten sowie Quellen wie Drucke oder solche aus Privatbesitz werden hingegen in einer Erfassungstabelle gehalten, bis die projekteigene Datenbank erstellt ist. Die Daten liegen daher detailliert strukturiert vor und werden durch die Verbindung mit Normdaten (Personen, Körperschaften und Geographika) bereits für die vorgesehene digitale Vernetzung aufbereitet. Bei der Quellenbeschreibung werden neben den Standortangaben (RISM-Sigla, Signatur) und Links zu Digitalisaten die enthaltenen Provenienzangaben verzeichnet, die diplomatische Wiedergabe der Titel (Titelblätter, Umschläge und Kopftitel), der Widmungen und Datierungen vorgenommen sowie die kodikologischen Daten (u. a. Schreiber und Schreibmittel, Quellenumfang, Papiermaße, Rastrierung, Überklebungen) in möglichst standardisierter Form erfasst. Zusätzlich erhält jede Quelle einen detaillierten Beschreibungstext, in dem die physischen Merkmale kommentiert und relevante Eintragungen transkribiert werden. Außerdem erfolgt in einem separaten Kommentarbereich eine erste Zuordnung der Quellen zum (provisorischen) Werk und ggf. bereits zu einzelnen ausgeprägten Versionen und Fassungen (vgl. dazu auch Datenmodell).
Komponenten, Über- und Unterordnung
Für komplexe Quellen, die z. B. mehrere Arbeitsschichten aufweisen, ist eine Unterteilung einzelner Signaturen in kleinere Einheiten erforderlich. Aus diesem Grund wird in der Tabelle zwischen über- und untergeordneten Quellen sowie Komponenten differenziert, was es erlaubt, die unter einer gemeinsamen Signatur überlieferten Bestandteile – seien es Stücke und Sätze aus einem mehrteiligen Werk (wie zum Beispiel den Ungarischen Rhapsodien) oder ein Konvolut aus verschiedenen Quellentypen wie Abschriften und Korrekturblätter – separat zu benennen und später auch separat anzusteuern. Gleichzeitig kann eine einzelne Quelle aufgrund von Liszts intensiven Überarbeitungsprozessen mehrere Werkfassungen in sich abbilden. Am Ende der ersten Projektphase (Juni 2025) ist diese grundlegende Erschließungsarbeit weitgehend abgeschlossen, so dass mit dem Abgleich des Quellenmaterials zu einem Werk(komplex) und der Erstellung von Werkeinträgen begonnen werden kann. Durch die Arbeit des Projektteams konnten zahlreiche in der Liszt-Forschung bisher noch nicht bekannte Quellen erfasst werden, was die Bedeutung des Projekts unterstreicht. Die systematische Sichtung von Auktionskatalogen gibt Hinweise auf weitere Quellen und Provenienzwege.
Trois morceaux suisses für Klavier zu 2 Händen
Signatur GSA 60/Dep. H 1d
1836, 1877, Blatt 1
Copyright: Klassik Stiftung Weimar (Quelle)